Raus aus der Überforderung

Manchmal frage ich mich, ob die Fibromyalgie nicht eine Folgeerscheinung ist, nachdem man jahrelang die eigenen Limits ignoriert hat. Dass sie erscheint, wenn man sich selbst penetrant bis zur Belastungsgrenze strapaziert, um es anderen Recht zu machen, die fremden über die eigenen Bedürfnisse stellt. Der TV-Psychologe Rolf Schmiel, hat es bei einem Medientermin mit mir einmal so formuliert: „Raus aus der Überforderung!“ Damit hat er bei mir absolut den Nerv getroffen.

Weißt du, ich habe immer geglaubt, dass wenn man ein Problem auf allen Ebenen durchdringt und kapiert, dass man es dann abstellen könnte. Nenne es Spiritualität oder wie du willst: So viele Menschen berichten von Wunderheilung, dass ich daran glaube, ohne es zu verstehen. Und vielleicht hindert mich das Verstehen-Wollen daran, die Erfahrung auf Erlebens-Ebene zu machen, anders als mit dem Verstand. Denn hier fühle ich mich nach etlichen Sitzungen für Verhaltensänderungen austherapiert. Als bekennende NLP Trainerin (Neuro-Linguistisches Programmieren) hab ich am eigenen Leib erfahren, wie viel wirksamer emotionale Erfahrungen sind, die „durch Mark und Bein“ gehen. Wie im Schlechten, so auch im Guten.

Was uns in der Vergangenheit überfordert hat, können wir wohl klar benennen. Auf meinem Visionboard steht deshalb in ganz großen Lettern:

Alles, was du brauchst, ist weniger!

Inzwischen achte ich penibel darauf, genug Zeit nur für mich allein zu haben. Ich habe dann auch was zu tun, arbeite mal, mal lese ich und bilde mich weiter, mal mache ich lange Spaziergänge oder Ausflüge. Was mir an der „Me-Time“ am wichtigsten ist, ist die volle Selbstbestimmung über meine Zeit. Ich selbst kann entscheiden, ob ich etwas Produktives tue, etwas im Haushalt oder ganz einfach Yoga mache, meditiere, male oder ein Hörbuch höre. Im Herzen bin ich davon überzeugt, dass es genau diese Freiheit ist, die mich nachhaltig so leistungsfähig erhält. Zeit ist ein komplett unterschätztes Gut in unserer Gesellschaft. Wenn ich als Berufstätige, Ehefrau und Mutter neben dem üblichen Alltag mit Kind, Haushalt, Hobbies, Veranstaltungsplanung und wer weiß was noch beschäftigt bin, dann holen mich diese vielen Rollen irgendwann ein. Bis mir mein Hobby keine Energie mehr gibt, sondern sie mir raubt. Bis irgendwann alles, was dazukommt, eine Last ist.

Wenn es soweit kommt, dass die Freizeit öfter erschöpfend ist als entspannt, verspüren Menschen nur noch mehr Bedarf an Zeit – noch mehr Zeit für sich selbst. Ob die eigene Zeit als zu knapp erlebt wird, hängt also stark auch davon ab, wie voll wir unsere Tage packen. Menschen, die sich daran gewöhnt haben, ihre Aktivitäten besonders dicht zu gestalten, stehen vor einem Dilemma: Sie können zusätzliche Erlebnisse kaufen, aber keine zusätzliche Zeit. In einer Konsumgesellschaft kann die empfundene Zeitknappheit zu einem Teufelskreis werden. Weil gestresste Menschen häufig versuchen, ihre innere Unruhe mit zusätzlichen Aktivitäten zu lindern, die sie als Ausgleich bezeichnen. Dummerweise bedeuten diese Maßnahmen gegen den Stress noch eine Stunde mehr, die von anderen Dingen freigeräumt werden muss, die Platz braucht im Terminkalender und die ein Einkommen voraussetzt, um sie bezahlen zu können. Der Stress wächst, wenn die Zeit eigentlich nicht übrig ist. Und wenn das Geld nicht ausreicht für Massagen, Ausflüge und Wellness mit den Freundinnen, dann wächst der Stress erst recht. Was also tun?

 

Unsere Zeit ist unser wertvollstes Gut.

Ist es deshalb nicht sinnvoll, aufzuhören, immer wieder über zusätzliche Maßnahmen zu sprechen? Vielmehr sollten wir deshalb nicht mehr über das, was wir machen oder nicht sprechen, sondern über das Wann und Wie. Über unsere Zeit. In einer Welt, in der Beschäftigtsein wie eine Währung gehandelt wird, wird die Frage nach „interessant oder langweilig“, „aktiv oder passiv“ zu einer zentralen Identitätsfrage.

Während sich viele Menschen über Geld definieren, bin ich von etwas ganz anderem überzeugt: Ich denke, dass wir uns weniger über Geld streiten sollten, sondern die Zeitverteilung in unserer Gesellschaft überdenken und neu definieren müssen. Ich denke, dass unser wertvollstes Gut unsere Zeit ist. Unsere Lebenszeit, von der wir nicht wissen, wie viel wir noch haben. Deshalb sollten wir noch viel sensibler damit umgehen und uns fragen: Was mache ich mit meiner Zeit? Wie viel meiner Zeit verbringe ich mit Menschen und Dingen, die mir gut tun? Wie viel Zeit bleibt für mich ganz allein? Ich lade dich ein, dir selbst Antworten auf diese Fragen zu geben. Antworten, die dich freuen und die dir zeigen: So will ich mein Leben führen!

Ich wünsche dir ganz viel Zeit für Schönes. Gönn‘ dir mehr Zeit für erheiternde, humorvolle, entspannende Erlebnisse und für guten Schlaf, die dir Kraft und Ausgeglichenheit schenken.

Deine Miriam



PS: Sehr gern möchte ich mich hier mit dir zu den Königswegen austauschen, wie wir uns Gutes tun können und gleichzeitig gleichwertig am Arbeits- und Gesellschaftsleben teilnehmen können. Wie gelingt dir das? Das möchte ich wirklich gern erfahren, denn bisher habe ich noch nie ein Feedback von einer Leserin oder einem Leser erhalten. Ich freue mich auf deine Post.


 

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Kommentare: 1
  • #1

    Marc (Mittwoch, 26 April 2023 14:58)

    Liebe Miriam, zu Deinem post scriptum kann ich nur sagen, dass es mir bisher noch nicht gelungen ist gleichwertig am Arbeits- und Gesellschaftsleben teilnehmen zu können. Das ich nicht am Arbeitsleben teilnehmen kann liegt nun ursächlich an der Erkrankung, hat aber akuten Geldmangel zur Folge, der mich stärker am Teilhaben hindert als es die Krankheit alleine tun würde. Was das Gesellschaftsleben betrifft habe ich für mich anerkannt, dass ich besser planen muss, das nicht alles in Frage kommt, wie z.B. ausgedehnte Wandertouren (was ich aber eh nicht machen würde) oder es eben einfach nicht übertreiben und klar kommunizieren, dass man häufiger mal (alleine) Pause machen muss, indem man z.B. bei Feiern einen Rückzugsort anfragt.
    Falls man dann doch mal bis in die Morgenstunden feiert, muss einem halt klar sein, dass man dann die nächsten tage mehr oder weniger ausfällt. Aber manchmal ist es das einfach Wert.
    Ansonsten ist mein Königsweg mein Hund. Der ist mir eine emotionale Stütze, erfreut mich jeden Tag und sorgt dafür, dass ich mich ausreichend bewege.

    Liebe Grüße