Wo die Angst ist, ist der Weg!

 

Meine gesundheitlich und schmerzlich intensivsten Jahre waren diejenigen, in denen ich mich von meinen Ängsten einnehmen ließ. Ich hatte Arbeitgeber mit einer zweifelhaften Personalpolitik, fühlte mich manchen beruflichen Herausforderungen nicht gewachsen und fürchtete den Verlust meines Arbeitsplatzes. Dazu kam, dass ich in Umfeldern arbeitete, in denen Menschen wie Brennholz verbrannt und ausgetauscht wurden. Ich war zwar engagiert, wollte mich aber nicht kaputtmachen. In der Folge wechselte ich den Job, wenn die Diskrepanz zwischen meinem Anspruch und der Wirklichkeit zu groß wurden.

 

 

 

Anhaltende Schmerzen und wechselhafte, körperliche Blockaden hielten mich in Atem. Bereits seit meiner frühen Adoleszenz hatte ich mit Rückenproblemen zu kämpfen, wurde wahlweise als Mimose oder Ignorantin wahrgenommen, was die Beziehungen in meinem Leben nachhaltig störte. Die starken Schwankungen zwischen der dynamischen, kraftvollen Miriam und dem nörgelnden Elend ließen auch mein eigenes Vertrauen in meine Belastbarkeit schwinden. Was konnte ich mir überhaupt noch zutrauen? Konnte ich mir selbst noch vertrauen?

 

 

 

Erdbeben für die Seele

 

 

 

So kam es, dass ich extrem störanfällig wurde. Mein Nervensystem ging sofort in Habachtstellung, wenn irgendetwas von meinem „Normal“ abwich: Konflikte mit mir wichtigen Menschen, überraschende Situationen, die ein Umdenken erforderten, übergriffiges Verhalten anderer Menschen bis hin zu sonstigen Ausnahmesituationen. Belastende Ereignisse, denen ich ja eigentlich ausweichen, mit denen ich nichts zu tun haben wollte, entwickelten sich zum Dauerzustand. Schrecken und Krisen trieben mich in Hilflosigkeit, Angst und hinterließen das eine oder andere Trauma. Ich fühlte mich jenseits irgendeiner Kontrolle, konnte viele Situationen nicht steuern. Dadurch vergrößerte sich mein innerer Wunsch, mich irgendwo festhalten zu können.

 

 

 

Bereitwillig traf ich Entscheidungen, die ich in dem Moment für richtig hielt: Ich baute ein Haus mit einem Mann, mit dem ich mir eine gemeinsame Zukunft erhoffte. Und wurde um Geld, Vertrauen und Liebe betrogen. Später lernte ich meinen Ex-Mann kennen, der zuerst die Welt für mich einfing. Wir heirateten, kauften ein Haus und gründeten eine Familie. Was romantisch klingt, waren gesundheitlich für mich die aufreibendsten Jahre. Ich bekam gleich ein ganzes Orchester an Tiefpunkten. Ich konnte mich durch Medikamente, Spritzen, Einrenken und Physiotherapie nur noch schwer in Vollzeit arbeitsfähig halten. Wirkstoffe, die ich über Jahre genommen hatte, blieben effektlos. Die Suche nach der Ursache meiner Probleme wurde dringender.

 

 

 

Tiefpunkte sind Wendepunkte

 

 

 

Nachdem ich mich schon über 13 Jahre mit meinen gesundheitlichen Querelen abgefunden hatte, glaubte ich, dass ich so sein und mein Leben so aussehen würde. Dennoch investierte ich weitere 1,5 Jahre, in denen ich Fachärzte, Therapeuten und Spezialisten in ganz Deutschland aufsuchte. Bis ein Chefarzt mich bei sich behielt und mir zusagte, dass er mich erst entlässt, wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben: Im Juli 2012 bekam ich endlich die Diagnose Fibromyalgie. Endlich, weil ich bis dahin so vielen medikamentösen Versuchen ausgesetzt war, dass sich diverse neue, neurologische Störungen zu meinen ursprünglichen Themen dazugesellten. Dann aber, Ende Juli 2012, wurde ich endlich mit passender Arznei ausgestattet und war nach Jahren das erste Mal für ein paar Tage am Stück wieder schmerzfrei. Meine Selbstständigkeit, die ich in dieser unklaren Zeit angetreten war, bekam festen Boden unter den Füßen. Und noch besser: Mein Wunsch (und by the way meine größte Angst, dass es nicht klappen könnte) ging in Erfüllung. Ich wurde schwanger. Doch noch ein Happy End?

 

 

 

Noch lange nicht! In den nächsten Monaten sollte ich lernen, was es heißt, wenn alles im Leben auf der Kippe steht. Mein Mann, mit dem ich seit fast zwei Jahren versucht hatte, schwanger zu werden, wandte sich ab, als er von unserem Kind erfuhr. Der Stress verursachte einen Blutsturz, eine Schwangerschaftsvergiftung und Frühgeburt. Als ich nach fünf Wochen Neonatologie mit unserer Tochter nach Hause kam, zog er aus. Schweren Herzens traf ich die Entscheidung, mit meinem Baby in meine Heimat zurückzukehren und dort von vorn anzufangen, auch beruflich.

 

 

 

Stress ist ein anderes Wort für Angst

 

 

 

Das erste, was ich für meine Tochter und mich am neuen Ort umsetzte, waren feste Strukturen: ein geordneter Tagesablauf half uns ein wenig, zu alter Sicherheit zurückzufinden. Noch immer konnte ich nicht einschätzen, wie viel arbeiten können würde. Meine Tochter erhielt über die ersten eineinhalb Lebensjahre Frühförderung, um ihren beschwerlichen Lebensstart aufzuarbeiten. Ich nahm mir die Zeit, wieder im Leben anzukommen und die Bindung zu meiner Tochter zu intensivieren. Jetzt zählten nur noch sie und ich.

 

 

 

Ich verwandte meine ganze Kraft darauf, Stress zu vermeiden, in dem Wissen, dass mein System zerbrechlich war. Und tatsächlich dauerte es nochmals mehrere Jahre, bis ich wieder in meinem Selbstvertrauen und in meiner Kraft angekommen war. Heute stelle andere Weichen für meine Lebensführung. Dafür habe ich einige Lehren aus dieser Zeit gezogen, die ich mit dir teilen will.

 

 

  • Es bringt rein gar nichts, vor Ängsten wegzulaufen. Es ist ein Spiel auf Zeit, bis du mit genau damit vom Leben konfrontiert wirst. Besser ist es, gleich hinzuhorchen und in dich hinein zu spüren, was dir die Angst sagen will. Dahinter steht meistens ein Hinweis, worauf du achten darfst und eine beschützende Botschaft.

  • Alles, was dir Struktur gibt, hilft. Egal, ob es die Quality Time nur für dich ist, dein regelmäßiger Sport, feste Rituale wie ein Tee vor dem Schlafen oder eine Meditation am Morgen. Gewohnheiten schaffen Platz für neue Gedanken, um dich darauf zu konzentrieren, was du erschaffen willst.

  • Reflektiere dein Denken und dein Verhalten. Überfordert dich eine Situation, darfst du auch einmal ungewöhnlich reagieren. Deine Selbstbeobachtung hilft dir, dein persönliches „Normal“ zu definieren und wahrzunehmen.

  • Sprich die Dinge an, die in dir arbeiten. Indem du Szenarien nur in deinem Kopf durchspielst, wird sich nichts ändern und auch dein Umfeld kann deine Erwartungen nicht riechen. Sag wertschätzend und klar, was dir wichtig ist und frag nach, wie deine Wünsche mit den Wünschen deines Gegenübers vereinbar sind.

  • Tu dir Gutes! Was brauche ich gerade? Diese ehrliche Frage nach deiner Befindlichkeit gibt dir Aufschluss darüber, wo und wie, mit wem du auftanken kannst. Gönn dir eine regelmäßige Energietankstelle, denn am besten können wir Geben, wenn unsere eigene „Schale“ voll ist.

 

 

 

Du hast noch weitere Tipps, um Stress zu vermeiden, dann freue ich mich über deine Zuschrift. Möchtest du wissen, wie Fibromyalgie mit Angst in Zusammenhang steht? Dann verlinke ich hier gern den Artikel von Daniel Schalk mit Link zur Studie von Daniel Schalk.

 

 

 

Herzlichst,

 

Deine Miriam

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Yvette (Montag, 15 Januar 2024 11:56)

    Hallo Miriam,
    mit großem Interesse habe ich die Beiträge von Dir gelesen. Ich bin gerade an einem Punkt wo ich lernen muss mit meinen starken Schmerzen und der Diagnose Fibromyalgie umzugehen.
    Die Diagnose habe ich im Janauar 2020 erhalten und seit April 2023 geht es mir so schlecht, dass ich zur Zeit meine Arbeit, die ich sehr gerne mache, nicht mehr nachgehen kann.
    Ich bin schon aus meiner Kindheit heraus, ein sehr ängstlicher Mensch und versuche auch schon lange die Botschaften zu hinterfragen und daran zu arbeiten.
    Ich bin noch ganz am Anfang und die Überfordung fürht dazu, das ich mich immer mehr zurück ziehe, auch weil ich schlechte Erfahrungen mit meinen Mitmenschen und Arbeitskollen machen musste. Aber das kennst Du ja auch......
    Ich wünsche Dir einen guten Wochenstart :)
    Herzliche Grüße Yvette

  • #2

    Miriam (Montag, 15 Januar 2024 12:06)

    Liebe Yvette,
    die unterschiedlichen Phasen der Fibro kenne ich gut. Mein Körper, oder eher gesagt mein Kopf, "verarscht" mich dabei oft: Wenn es mir richtig dreckig geht, vergesse ich, dass es auch wieder gute Zeiten geben wird. Andersherum ist es nicht ganz so, aber ähnlich: geht es mir gut, kann ich mir nicht mehr vorstellen, wie hoffnungslos ich wie ein Sack in der Ecke gesessen oder besser gelegen habe...
    Wichtig ist, dass du dich von deinen Gedanken nicht lenken lässt, sondern bewusst die Gedanken säst, die du wirklich haben willst. Denn egal, was wir denken, unser Verstand sucht nach Beweiusen, damit wir recht behalten. Also besser immer ans Gute glauben!
    Ich drücke dir die Daumen, dass du bald nach vorn blicken und mutig sein wirst.
    Liebe Grüße,
    MIriam