Körperbudget aus Emotionen

In meinen letzten Einträgen habe ich des Öfteren über Emotionen geschrieben. Ich teile mit dir meine Erfahrungen, wie mich Gefühle manchmal überkommen und zu anderen Zeiten völlig zusammenhangslos und unvermittelt auftauchen. Diese Phänomene beschäftigen mich und ich komme nicht drum herum, mich immer wieder mit ihnen auseinanderzusetzen. Wahrscheinlich, weil ich meine Emotionen meistens als sehr viel ausgeprägter wahrnehme als ich sie bei manchen anderen Menschen erlebe.

 

In der Gesellschaft hält sich der Glaube, Emotionen seien eine Art Reflex, der im Gegensatz zu den rationalen Überlegungen eines Menschen stehen. „Geld oder Liebe“ – eine Fernseh-Show aus dem letzten Jahrtausend, in der sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entweder für Geld (Vernunft/Ratio) oder Liebe (Gefühl/Emotion) entscheiden mussten, trifft den Nerv der kollektiven Meinung wohl ziemlich genau: Denken und Fühlen stellen Gegensätze dar. Selbst der relativ junge Kinderfilm „Alles steht Kopf“ (Pixar) folgt diesem Denkmuster. Unsere Kinder bekommen beigebracht, Emotionen seien eindeutig zu identifizierende innere Ereignisse, die sich in Gesicht und Körper widerspiegeln. 

 

Wie du wahrscheinlich weißt, befasse ich mich beruflich mein Leben lang mit Kommunikation. Ich habe die verschiedenen Arten und Ebenen nach ihrer Wirksamkeit studiert. Natürlich ist die Körpersprache unsere wirksamste Ausdrucksform. Innerhalb der Körpersprache liegt die Mimik, die durch die winzig kleinen Muskelbewegungen in unseren Gesichtern gesteuert wird. An der Mimik eines Menschen können wir erkennen, ob jemand sauer, wütend, ängstlich oder erfreut ist. Es gibt Parallelen in der Mimik, die sich über alle Altersgruppen und Völker dieser Erde ziehen. Und doch sind unsere Gesichtsausdrücke niemals einheitlich. Wie ein Fingerabdruck ist auch unsere Mimik ein einzigartiges Zusammenspiel. Und so wie wir nicht in allen Situationen zu einhundert Prozent eine bestimmte Einstellung vertreten, sondern (je reifer wir werden) immer häufiger ein Sowohl-als-auch anstelle von Entweder-oder vertreten, so sind auch unsere Emotionen von kleinen, inneren Widersprüchen gefärbt. Wer sich eine Welt in „schwarz und weiß“ wünscht, wird wohl kaum jemals glücklich werden, denn so funktioniert unsere Welt nicht...

 

Auch die Medizin und die Psychologie setzen beim Denken und Verhalten an. Als Fibromyalgie-Erkrankte bekommen wir gesagt: Wenn wir nur unser Denken ändern, werden wir uns bald anders fühlen. Und ja, zu einem gewissen Anteil nimmt unsere Einstellung, ob wir das Glas als halb voll (und nicht als halb leer) betrachten, einen positiven Einfluss auf unser Gefühlsleben. Eine Wechselwirkung zwischen Denken und Fühlen ist nachweisbar. Seitdem ich bewusst meine Haltung zu bestimmten Themen hinterfrage und aktiv steuere, hat sich meine Lebensqualität um ein Vielfaches verbessert. 

 

Und gleichzeitig weiß – und fühle – ich, dass ich auf diese Weise für mich heraushole, was möglich ist. Es ist und bleibt ein kontinuierliches Training, meinen Geist zu lenken. Doch „meine Emotionen in den Griff kriegen“, wie es vor vielen Jahren mal ein Schulmediziner zu mir sagte, werde ich allein durch meine Denkhaltung nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich um mein Fühlen genauso achtsam kümmern darf wie um mein Denken. Denn die Selbsthilferatgeber, die ich gelesen habe (es waren einige, glaub mir!), mögen sich mit Niedergeschlagenheit und Wut befassen, sie lassen die körperliche Seite aber leider außer Acht. Doch Körper und Geist sind untrennbar miteinander verwoben, so lange wir in unseren Körpern leben. Deshalb ist aus meiner Sicht der grundlegendste Schritt, um gut mit seinen Emotionen umzugehen, das eigene Körperbudget in Schuss zu halten. Willst Du Dich gut fühlen, dann müssen die Vorhersagen deines Gehirns über die Herzfrequenz, Atmung, Blutdruck, Körpertemperatur, Hormone, Stoffwechsel usw. auf die aktuellen Bedürfnisse Deines Körpers abgestimmt sein. Sind sie das nicht und Dein Körperbudget gerät durcheinander, dann fühlst Du Dich mies, egal wie sehr Du Dich um die Befolgung von Selbsthilfetipps bemühst.

 

Leider ist unser gesellschaftliches Leben so beschaffen, dass es unser Körperbudget gehörig in Unordnung bringt. Was wir im Supermarkt und in vielen Restaurants vorgesetzt bekommen, ist Pseudonahrung, Zucker-Fett-Bomben, die unser Körperbudget torpedieren. Schule und Arbeit erfordern frühes Aufstehen und spätes Zubettgehen. Rund 40 Prozent der Bevölkerung bekommen zu wenig Schlaf. Zusammen führt das zu einer chronischen Fehlregulierung des Körperbudgets, wodurch Depressionen und anderen mentalen Störungen die Türen geöffnet werden. Die Werbung redet uns ein, dass wir nur bestimmten Statussymbolen gesellschaftliche Anerkennung bekommen und verunsichert uns. Soziale Zurückweisung ist Gift für unser Körperbudget. In den sozialen Medien tun sich teilweise ganz neue Dimensionen von Toxizität auf, lange Bildschirmzeiten und die Erwartungshaltung einer 24/7-Erreichbarkeit belastet unser Körperbudget weiter und weiter. Nicht leicht also, das eigene Körperbudget in Balance zu halten. Und geht es uns erst chronisch schlecht (ich denke, dass Du das nachvollziehen kannst), greift womöglich zur Selbstmedikation und endet, wenn er es zu weit treibt, in eine Sucht oder eine Medikamentenabhängigkeit... Wer hier nicht lernt, gut für sich selbst zu sorgen, geht früher oder später unter.

 

So viel zu den schlechten Nachrichten. Was kannst Du also tun, um Deinem Körperbudget Aufwind zu geben? Ohne dass ich jetzt klingen möchte wie Deine Mutter, habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Weg zu mehr Wohlbefinden über eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und ausreichend Schlaf führt. Je besser Deine Grundlagen hinsichtlich Deines Körperbudgets sind, desto leichter lässt es sich austarieren – wie ein Bankkonto. Um diese Ratschläge zu befolgen, müsstest du wahrscheinlich (wie ich) einige eingeschliffene Lebensgewohnheiten ändern. 

 

Ebenso wichtig für ein ausgeglichenes Körperbudget ist meines Erachtens ein gesundes emotionales Leben. Dazu trägt bei mir Berührung bei: Bei Massagen kann mein Körper entspannen, sind alle Sensoren auf die Wahrnehmung konzentriert und Anspannungen werden für einen Moment vergessen. Natürlich können wir nicht immer nur unsere Liebsten damit beauftragen. Deshalb gehe ich (bereits seit einem Jahrzehnt) einmal wöchentlich zu meiner Physiotherapeutin, die zeitglich auch Osteopathin ist. Die Berührung ist tut mir gut und lädt mein Körperbudget wieder auf.

 

Auch Yoga ist eine Einzahlung auf mein Körperbudget. Ich praktiziere mittlerweile so gut wie täglich, mit nur sehr wenigen Ausnahmen. Für einen reibungslosen Ablauf mit meiner schulpflichtigen Tochter stelle ich mir werktags freiwillig den Wecker auf fünf Uhr, damit ich mit meinem Yoga-Programm durch bin, wenn alle anderen aufstehen. Am Wochenende gehe ich es entspannter an. Es ist sogar nachgewiesen, dass sich Menschen, die regelmäßig Yoga praktizieren,  schneller und effektiver beruhigen. Wahrscheinlich, weil die Bewegungen mit einer verlangsamten Atmung einhergehen. Außerdem reduziert Yoga eine bestimmte Form von Proteinen im Körper, die langfristig niederschwellige Entzündungen hervorrufen würden. Dagegen werden bei regelmäßiger Praxis andere Proteine gefördert, die unser Risiko senken, Herzerkrankungen, Depressionen und andere Krankheiten zu entwickeln. 

 

Auch unsere Umgebung beeinflusst unser Körperbudget. Ich habe gelernt, mich aus Räumen mit vielen Menschen und Lärm zurückzuziehen und bin bemüht, regelmäßig Zeit in der Natur zu verbringen. (Hier gibt es auch bei mir noch einiges Potenzial nach oben, obwohl ich direkt am Ortsrand wohne.) Im Kleinen macht es für mich sogar einen großen Unterschied, dass ich in sehr lichtdurchfluteten Räumen lebe, umgeben von einem großen Garten mit viel Grün. 

 

Nicht zuletzt hängt unser Körperbudget auch von der Wahl unserer Zeitinvestition ab. Anstelle meine freie Zeit auch noch vorm Rechner zu verbringen, achte ich auf bewusste Szenenwechsel: Mein Hang dazu, mich in der Küche auszutoben und mit Kochen, Backen, Einmachen zu experimentieren, dient meinem System ebenfalls zur Beruhigung. In dem Moment, in dem meine Hände etwas zu tun bekommen, kann ich mich auf das Hier und Jetzt einlassen und muss nicht mehr über unzählige To do’s nachdenken. Du kannst es Dir so vorstellen, dass meine Hände in diesem Moment wahrnehmen und damit indirekt sogar meinen Kopf beanspruchen – zumindest so weit, dass ich nicht an andere Dinge denken muss. Hin und wieder hole ich sogar mein Mal-Equipment heraus und kreiere Bilder. Ein kleines Hobby, das ich mit meiner Tochter teilen kann. So verbringen wir Zeit zusammen, sind kreativ und entspannen uns dabei.

 

Außerdem, das wird nichts Neues für Dich sein, ist es unheimlich gut für Dein Körperbudget, wenn Du Dich mit Freunden triffst. Am besten, indem ihr Euch wechselseitig einladet oder verwöhnt. Forschungsergebnisse zeigen, dass Schenken und Dankbarkeit das Körperbudget stabilisiert.

 

Um mich auch mental gesund und flexibel zu halten, habe ich es mir in den letzten Jahren angewöhnt, meine emotionale Grundhaltung zu erhöhen. Damit meine ich, insgesamt zuversichtlicher und positiver in die Zukunft zu schauen. Dafür war es hilfreich, meine Denkmuster zu identifizieren und zu hinterfragen. Hatte ich früher noch den Glauben, dass alle (Haus-) Arbeit an mir hängen bleibt, begann ich damit, Beweise zu sammeln, dass dieser Eindruck nicht stimmte. Nach dem gleichen Prinzip geht das natürlich auch mit jeder anderen Einstellung. Glaubst Du beispielsweise, dass es andere nicht interessiert, wie es Dir wirklich geht, kannst Du Dich ganz bewusst auf Spurensuche begeben, an welcher Stelle diese Aussage nicht zutrifft. Wer fragt bei Dir nach? Wer sorgt und kümmert sich um Dich, achtet auf Deine Bedürfnisse? Durch eine geschulte Wahrnehmung gelingt es leichter, die Perspektive zu wechseln und so Stück für Stück alte Überzeugungen abzubauen, die Dir nicht guttun. Probiere es mal aus!

 

Ich bin überzeugt, dass Du Deine Lebensqualität verbesserst, wenn Du auch nur einen Impuls aus diesen Empfehlungen für Dich mitnimmst und umsetzt. Und falls Du an einer Stelle nicht weiterkommst, schreib mir gern und ich gehe anonym darauf ein.

 

 

Herzlichst,

 

Deine Miriam

 

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